Entstehung des Luftwaffen Einsatzhafen von 1937 - 1938


Etwas Luftfahrtgeschichte vorweg. Der Luftverkehr wird durch das Luftverkehrsgesetzt geregelt. Die erste Fassung dieses Gesetzes wurde am 10. August 1922 im Reichsgesetzblatt veröffentlicht und trat am 01. Oktober 1923 in Kraft. In diesem Gesetzestext wurden die ersten Vorrausetzungen für Flugplätze geregelt und genauer definiert. Grundsätzlich unterschied man zuerst nur zwischen drei verschiedene Arten:

 - Flugplätze 

 - Landeplätze

 - Segelfluggelände

 

In den 30er Jahren wurde diese Klassifizierung erweitert und angepasst. Man unterschied nun zwischen:

 

  - Flughäfen

 - Flughafen der I. Ordnung / Wasserflughafen der I. Ordnung

 - Flughafen der II. Ordnung / Wasserflughafen der II. Ordnung 

 - Landeplätze

 - Verkehrslandeplatz / Wasserlandeplatz

 - Privater Landeplatz

 - Notlandeplatz

 - Hilfslandeplatz

 - Segelfluggelände

 

Im Fall der Einsatzhäfen des dritten Reiches muss auf die Definition der Quartiermeistervorschriften aus dem Jahr 1938 (der L.Dv. g. 90/1) verweisen werden, wo folgende Klassifizierung vorgenommen wurde:

 

 - Fliegerhorst (Land und See)

 - Einsatzhafen der I. Ordnung (Land und See)

 - Einsatzhafen der II. Ordnung (Land und See)

 - Feldflugplatz

 - Gefechtslandeplatz

 - Arbeits-, Ausweich-, Abstell-, Auflockerungsflächen

 - Scheinflugplätze

 - Industrielandeplätze

 

Für die Geschichte des Einsatzhafen in Merzhausen interessiert uns aber nur die Definition zu den E-Hafen der I. Ordnung. Am 10. Juni 1938 veröffentlichte das Reichsluftministerium einen Erlass, was die Voraussetzungen eines Einsatzhafen der I. Ordnung genau festlegte:
 
"(...) sind E-Häfen der I. Ordnung in folgender Weise auszubauen:

 a) Rollfeld mindestens 1.000 x 1.000 m, mit ZZ-klarer Peilschneise,

 b) Gleisanschluss,

 c) Straßenzuführung,

 d) E-Hafen-Scheuer mit Gehöft,

 e) 300.000 l Tankraum mit verlegten Feldtankleitungen und 27 Zapfstellen, 

 f) Licht-, Kraft- und Wasserversorgung,
 g) Ausbau des Nachrichtennetzwerk,

 h) Munitionsniederlagen.

E-Häfen, die eine dieser Bedingungen nicht erfüllen bzw. nicht erfüllen können, gelten als E-Häfen der II. Ordnung (...)".

(Quelle: Neuplanung der E-Häfen im 2. Aufbauabschnitt. RdL und ObdL Nr. 5102/38 g. Kdos. vom 10. Juni 1938 im BA/MA RL 7/255, Nr. 35 ff.)


Wichtig für das Reichsluftministerium war die schnellstmögliche Anbindung an das Straßennetzwerk und der Aufbau eines eigenen Gleisanschluss. Im zweiten Schritt sollte der E-Hafen einen Stromanschluss erhalten oder an die örtliche Stromversorgung angegliedert werden. Erst dann sollte die allgemeine Versorgung sowie der Aufbau und die Befüllung des Tanklagers erfolgen.

... 15. März 1937 - Rodungsarbeiten und Baubeginn am Einsatzhafen Merzhausen

Mit den Bauarbeiten, genauer gesagt mit der Rodung der Waldflächen, wurde am 15. März 1937 begonnen. Die veranschlagten Kosten beliefen sich auf stolze 1,8 Millionen Reichsmark. Um den Einsatzhafen mit einen Minimum an finanziellen Aufwand errichten zu können, werden 348.000 Reichsmark benötigt. Von Anfang an wird Merzhausen als Einsatzhafen der I. Ordnung erbaut und bis zum Kriegsende auch so bezeichnet. Doch er erfüllte nie alle Anforderungen die an einen E-Hafen der I. Ordnung gestellt wurden. Er war fester Bestandteil des Führerhauptquartier "Adlerhorst" und erhielt den Decknamen "Schafweide". Eigentlich sollte es in der Luftwaffe zu keiner doppelten Namensgebung kommen, doch dieser wurde mehrmals vergeben. Als Beispiel sei hier der Einsatzhafen der I. Ordnung in Zellhausen genannt, der ebenfalls im März 1937 errichtet wurde und wie Merzhausen den Decknamen "Schafweide" erhielt.
(siehe dazu das Buch: "Schafsweide - Deutsche Geschichte auf dem Luftwaffen-Einsatzhafen Zellhausen 1937-1945" von Kurt Braatz aus den NeunundzwanzigSechs Verlag)

Bereits am 31. Juli 1937 konnte dem Reichsluftministerium gemeldet werden: Platz fertig planiert. Drei Culemeyer-Rampen fertiggestellt und einsatzbereit. Drei Feldtankleitungen installiert und einsatzklar. Die Versorgung mit Strom und Wasser ist gewährleistet. Die Küche ist bereit und nutzbar. Doch richtig fertiggestellt ist der Einsatzhafen zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ein Großteil der Arbeiten sind erst im Jahr 1940 abgeschlossen. Warum die Fertigstellung so lange gedauert hat, ist bis heute unklar.

Ausschnitt aus einen Luftbild der 8th USAAF. Die Hauptgebäude des E-Hafen Merzhausen aufgenommen am 08. Oktober 1944.
Quelle: Luftbilddatenbank Dr. Carls GmbH

01. Kommandantur (Fachwerkhaus)

02. Scheune / Feldscheuer (Fachwerkhaus)

03. Geräteschuppen (Fachwerkhaus)

04. Stallgebäude (Fachwerkhaus)

05. vermutliche Werftanlage / Reparaturbereich / E-Hafen Feuerwehr

06. vermutliche Stabsgebäude

07. vermutliche Unterkunftsgebäude

08. vermutliche Wirtschaftsgebäude / Offizierskasino / Kantinenbaracke / Flugleitung

09. abgerissene oder zerstörte Gebäude

10. Gebäude mit unbekannter Funktion

11. Parade bzw. Apellplatz

12. Culemeyer Absatzrampe

Das Gelände wurde bis zum Eintreffen erster militärischer Einheiten (z.B. der Fliegerhorst-Betriebskompanie) von einen Platzwirt bewirtschaftet. Dieser wohnte, mit seiner Familie im Kommandantur Gebäude. Sobald militärische Einheiten auf den Platz kamen um diesen zu nutzen, musste er und seine Familie das Gebäude wieder verlassen. Einsatzhäfen dieser Art haben in der Regel keine betonierte Start- und Landebahn. Die dafür notwendigen und vorhandenen Rasenflächen wurden durch Weidetiere, wie z.B. durch Kühe oder Schafe kurzgehalten. Die Pflege der Flächen war ein Teil der Aufgaben des Platzwirtes. Der eigentliche Grund, dass es keine betonierten Bereiche gab, lag in der Tarnung der militärischen Anlage. Man versuchte mit Hilfe der natürlichen Vegetation das Abbild eines landwirtschaftlichen Guts- oder Bauernhof darzustellen. Auch die Anordnung der Hauptgebäude (Kommandantur, Scheune, Stall- und Geräteschuppen) sollten so, die wahre Bedeutung verschleiern. Die Hauptgebäude wurden dazu noch so aufgebaut und gestaltet, als wären es Gebäude im regionalen Baustil (z.B. Fachwerkhäuser). Flugzeughangars mit großen Spannweiten, wie sie normalerweise auf Flugplätzen zu finden sind, wurden nicht errichtet. Die später stationierten Flugzeuge wurden am Waldrand unter Tarnnetzen abgestellt. Die dafür notwendigen Bereiche wurden in das Waldgebiet eingefügt. Mit ausgelegten Bretterböden, die das einsinken verhindern sollten und mit seitlich aufgeschobenen Erdwällen, gegen mögliche Bombensplitter wurden die Flugzeuge geschützt. Zum Luftschutz der Anlage wurden verteilt im gesamten Gelände des Einsatzhafens, Flak-Stellungen und Luftraumbeobachtungstürme errichtet. Diese fügten sich ebenfalls gut in das Landschaftsbild ein und wurden sorgfältig gegen eine Aufklärung aus der Luft getarnt. Somit hatten es die alliierten Streitkräfte sehr schwer, eine Anlage dieser Art aus der Luft zu erkennen.

Kommandantur, Stallgebäude und Geräteschuppen. Im Hintergrund die vermutliche Stabsbaracke des E-Hafen im Jahr 1944.
Quelle: Archiv Autor

Mit einer normalen Bewirtschaftung wäre es nicht möglich gewesen, die Versorgung für etwa 600 Personen auf einen Einsatzhafen aufrecht zu erhalten. Diese Anzahl an Menschen wäre in etwa auf dem E-Hafen eingesetzt gewesen. Um die Versorgung zu gewährleisten, bedurfte es einen ständigen Nachschub an Lebensmitteln sowie einer gleichmäßigen Versorgung mit Flugbenzin und Ersatzteilen für Flugzeuge. Erkenntnis diese Art stammen zum Teil noch aus den Einsatzerfahrungen deutscher Soldaten im Spanischen Bürgerkrieg, wo sie in der "Legion Condor" gekämpft hatten. Daher war es dem Reichsluftministerium auch so wichtig, dass im ersten Schritt eine Straßen- und Gleisanbindung an den E-Hafen geschaffen wird. Im Fall des Einsatzhafen Merzhausen war die Anbindung der Straße kein großes Problem. Auch die Bahnanbindung stellt kein größeres Problem dar, da bereits eine aktive Bahnverbindung über den Ort Wilhelmsdorf verlief. Von dort aus sollte eine eingleisige Stecke zum E-Hafen führen. Dieses Bauvorhaben wurde aber nie vollständig umgesetzt. Es existiert noch heute Teile des Bahndamm, die von Wilhelmsdorf in Richtung des E-Hafen führen. Auch der tiefgebaute Teil der Bahnstecke ist heute noch sichtbar und befindet sich unmittelbar nach der Straßenkreuzung der L3063 (Ostrandstraße) und der K739 in Richtung Sattelbach. Dort sollte die Bahnstecke unter der Straße durchgeführt werden. Dieser tieferliegende Teil an der Straßenkreuzung nutzt heute ein Schützenverein für seine Schießanlage. Der andere Teil, der in Richtung Merzhausen führt, wurde nach dem Krieg aufgeschüttet und verfüllt.

... Die Versorgung des Einsatzhafen mit Culemeyer Transportwagen

Um die Versorgung des Einsatzhafen mit Flugbenzin sicherzustellen, wurden sogenannte "Culemeyer" Transportwagen mit Zugmaschinen eingesetzt. Dabei handelt es sich um einen Schwerlastwagen, der einen kompletten Eisenbahnwagon (z.B. einen Kesselwagen) mit seiner Ladung vom Gleisbett übernehmen und diesen per Straßentransport an sein Ziel bringen konnte. Im E-Hafen Merzhausen befanden sich drei Culemeyer-Absatzrampen, wo dann Kesselwagen abgestellt werden konnten. Noch heute kann man die Mauerreste von zwei der drei Culemeyer-Rampen sehen. Die größte Absatzrampe befand sich neben der L3063 (Ostrandstraße). Kurz vor der Einfahrt auf das Firmengelände von Media Broadcast, auf der rechten Seite, etwas in das Unterholz verborgen, befinden sich noch heute die Überreste. Bilder davon finden Sie unter der Rubrik "Bilder & Dokumente".


linkes Bild: Culemeyer Transportwagen mit Ladung (Kesselwagen) und Zugmaschine.
rechtes Bild: Die Zugmaschine und der Culemeyer Transportwagen werden an eine Rampe geführt.
WICHITG: Es handelt sich hier nicht um Bilder vom Einsatzhafen in Merzhausen oder Wilhelmsdorf!

Quelle: Internet

Der größte Vorteil in der Culemeyer-Absatzrampe lag darin, dass die enthaltene Ladung der Kesselwagen nicht erst aufwendig umgeladen werden musste. Eine Betankung der Flugzeuge erfolgte mittels Feldtankleitung und Motorpumpe direkt aus dem Kesselwagen raus. Die leeren Wagon konnten später, so wie sie abgesetzt wurden auch wieder aufgenommen und zurück auf das Schienennetz der Reichsbahn gebracht werden.

Auf diesem Bild sehen sie eine Culemeyer-Rampe mit abgesetzten Kesselwagon. Eine mobile Pumpe (rechts im Bild)
ist angeschlossen und versorgt über die am Boden liegende Feldtankleitung gerade eine He111 mit Flugzeugbenzin.
  WICHITG: Es handelt sich hier nicht um ein Bild vom Einsatzhafen in Merzhausen!
Quelle: Archiv Herr Walter Hermanutz

Die Feldtankleitung mit Verteilerpunkt im Detail. Auch in Merzhausen wurde so die Flugzeuge betankt.
Hier ist gerade eine Heinkel He111 des Kampfgeschwader 27 "Boelcke" 
angeschlossen.
  WICHITG: Es handelt sich hier nicht um ein Bild vom Einsatzhafen in Merzhausen!
Quelle: Archiv Herr Walter Hermanutz

Wie bereits erwähnt, war der Einsatzhafen Merzhausen ein fester Bestandteil des Führerhauptquartier "Adlerhorst", dass in unmittelbarer Nähe (ca. 20km) entstand. Adolf Hitler benötigte für seine bevorstehende Offensive gegen Frankreich ein festes Hauptquartier. Dieses wurde ab den Jahr 1939 in Langenhain-Ziegenberg errichtet. Natürlich brauchte die Anlage auch einen festen Start- und Landeplatz, von der aus Adolf Hitler zur Front gelangen konnte. Das Führerhauptquartier sollte dabei geschützt vor den Angriffen der feindlichen Artillerie liegen. Diese konnten zum damaligen Zeitpunkt mit ihren Ferngeschützen, Ziele in bis zu 250 km Entfernung treffen. Aber das Führerhauptquartier "Adlerhorst" wurde nicht rechtzeitig für die bevorstehende Offensive fertig. Daher wich Adolf Hitler mit dem Führungsstab der Deutschen Wehrmacht nach Rodert bei Bad Münstereifel aus. Dort wurde ebenfalls ein festes Führerhauptquartier errichtet das den Decknahmen "Felsennest" erhielt. Aus diesem Befehlsstand wurde dann der Westfeldzug und der Einmarsch der deutschen Truppen in Frankreich befehligt. Weiter Operation wahren der Überfall auf Norwegen und Dänemark, sowie die Operation "Seelöwe", die geplante Invasion Großbritannien.