12. Mai 1944: Die größte Luftschlacht über Merzhausen
Julius Meimberg nach seinen Einsatz am 12. Mai 1944: "(...) Vor wenigen Minuten schoß ich über diesem friedlichen Dorf in einem rotglühenden Kometen
der Erde entgegen.
Mein Krieg ist ein sauberer Krieg. Ich liege nicht hunderte Kilometer jenseits der Reichsgrenze in einen Erdloch, sondern erhebe mich aus einem reinlich bezogenen Bett in einem
Privatquartier, wenn man mich morgens weckt. Unsere Mahlzeiten werden täglich aus frischen Lebensmitteln zubereitet, und nach jedem Start haben wir Anspruch auf Sonderverpflegung. Den Gegner
erwarten wir rauchend, scherzend und kartenspielend in Ledersesseln, während das Radio in der Liegeplatzbaracke unablässig die neusten Schlager dudelt. Wenn wir zum Kämpfen und Töten
ausschwärmen, müssen wir uns nicht beschmutzen, uns nicht ekeln. Wir schießen auf Maschinen. Wenn die Männer aus den Maschinen abspringen, atmen wir auf; wenn unsere Feuerstöße sie zerfetzen,
sehen wir es nicht. Aber jedesmal, wenn wir zum Kämpfen ausschwärmen, schwärmen wir auch zum Sterben aus. Wir stellen uns einer vielfachen Übermacht, und nur jeder fünfte, der neu zu uns kommt,
überlebt seine ersten zehn Feindflüge. (...) Die Nachricht wird längst ums Eschborner Rollfeld gelaufen sein: Der Kommandeur lebt; Jule hat mal wieder die Kurve gekriegt; der Alte kommt
zurück.
Der Kommandeur, Jule, der Alte - das bin ich für rund 770 Mann der II. Gruppe des Jagdgeschwader 53, die meinem Befehl anvertraut sind. Ich bin vor ein paar Wochen 27 Jahre alt
geworden."
(Quelle: Feindberührung von Julius Meimberg, NeunundzwanzigSechs Verlag, 3. Auflage 2004 - Seite 16)
Nach dem Winter 1943/44 warten die Amerikaner auf eine Wetterbesserung um ihre geplante Luftoffensive gegen die Deutsche Luftrüstung starten zu können. Die "Big Week" die darauf ausgerichtet war, diese Kriegsindustrie zu schwächen oder zu zerschlagen, läuft vom 20. bis 25. Februar 1944. In den folgten, fast pausenloser Angriff durch amerikanische Bomber bei Tag und englische Bomber bei Nacht, werden die Bf109 Werke von Messerschmitt in Regenburg und Erla in Leipzig sowie die Fw190 Werke von Focke Wulf in Posen, Arado in Tutow und Fieseler in Kassel angegriffen. Weitere Ziele waren die Bf110 Werke in Gotha und Braunschweig und die Ju88 Werke in Bernburg, Halberstadt, Oschersleben und Halle-Schkeuditz. Die deutsche Luftwaffe sollte keine Möglichkeit bekommen, sich von diesen Schlägen zu erholen und die Lufthoheit über dem Reichsgebiet wieder zurück zu gewinnen. Doch die Offensive hat auf beiden Seiten hohe Verluste. So verliert die 8th USAAF 156 (3,8 Prozent) ihrer eingesetzten Bomber und die 15. US Luftflotte, die von Italien aus operierte, 95 Bomber (5,4 Prozent). Das bedeutet, dass 2510 Mann der USAAF Streitkräfte bei der Big Week ihr Leben verloren haben oder in deutsche Gefangenschaft geraten sind, geht man von einen Stärkenverhältnis von 10 Mann Besatzung pro Flugzeug aus. Auf der deutschen Seite mussten 250 Jäger als Totalverlust abgeschrieben werden. 146 Flugzeugführer der Luftwaffe sterben in dieser Woche. Im Prinzip kommt auf einen abgeschossenen US Bomber ein deutscher Flugzeugführer der sein Leben verloren hat. Im nächsten Schritt will die USAAF nun die deutsche Treibstoffindustrie ausschalten und zerschlagen. Durch Bombenangriffe auf diesen Industriezweig sollte die Produktion an Flugzeugbenzin vollständig zum Erliegen kommen. Das Motto lautet daher: "Was nützt ein Kampfflugzeug mit Piloten, wenn kein Sprit zur Verfügung steht mit dem die Maschine fliegen kann". Mit diesem Ansatz kämpften die alliierten Streitkräfte ab April 1944.
Einflugrichtung der Flugzeuge der 8th USAAF am 12. Mai 1944 gegen Ziele der deutschen Treibstoffindustrie.
Schwerpunkt der Luftkämpfe lagen im Bereich von Koblenz - Taunus - Gießen.
Quelle: Archiv Autor
Der geplante Einsatz am 21. April 1944 musste wegen schlechter Wetterbedingungen wieder abgebrochen werden.
So begann die Offensive zur Zerschlagung der deutschen Treibstoffindustrie am 12. Mai 1944. Bombenziele an diesem Tag waren:
- G. Basser KG und Werksflugplatz, Zwickau
- Sudetendeutsche Treibstoffwerke, Brüx
- IG- Farbindustrie AG (Leuna), Merseburg
- Wintershall AG, Lützkendorf
- Braunkohle- Benzin AG, Böhlen
- Braunkohle- Benzin AG, Zeitz
- Wanderer Werke AG, Chemnitz (Zweitziel)
- Bahnanlagen Gera, Merseburg (Gelegenheitsziele)
Dieser Einsatz (Operation Nr. 353 der 8th USAAF) wurde durch die 1., 2. und 3. Bombardement Division geflogen. Damit starteten 935 viermotorige Kampfflugzeuge vom Typ B-17 - "Flying Fortress" sowie B-24 - "Liberator" und zahlreiche Jäger vom Typ P-51 - "Mustang" und P-47 - "Thunderbolt" zum Einsatz gegen 470 Jäger und Zerstörer der deutschen Reichsverteidigung. Trotz der harten und verlustreichen Luftkämpfe über dem Rhein-Main-Gebiet, können viele der Bomber ihre Ziele erreichen. Es entsteht große Schaden an den Industrieanlagen. Der Produktionsverlust kann "noch" ausgeglichen werden, da zu diesem Zeitpunkt eine Reserve von ca. drei Monatsproduktionen zur Verfügung steht. Bei diesem Einsatz werden 46 Bomber sowie 12 Jagdflugzeuge der US- Streitkräfte abgeschossen. Auf deutscher Seite sind 28 Piloten gefallen und 26 Piloten wurden verwundet.
HINWEIS: Leider existieren unterschiedliche Zahlen bei der Gesamtzahl der geflogenen Flugzeuge am 12.Mai 1944. In einer anderen Veröffentlichung habe ich die Anzahl von 886 viermotorigen Kampfflugzeugen der 8th USAAF sowie 980 Jagdflugzeuge vom Typ P-38 - "Lightning", P-47 - "Thunderboldt" und P-51 - "Mustang" der 8th und 9th USAAF gefunden! Dem entgegen stand die Anzahl von 419 deutschen Flugzeugen. Leider enthält der Bericht keine finalen Zahlen über die Verluste auf beiden Seiten. Die von mir aufgeführten Zahlen, stammen alles aus einem Buch von Herrn Werner Girbig.
... Der Luftraum über dem Einsatzhafen Merzhausen am 12. Mai 1944
Für den Einsatzhafen in Merzhausen war der 12.05.1944 ein Tag im Krieg wie jeder andere auch. Der einzige Unterschied war der, dass viele der Luftkämpfe & Abschüsse sich direkt über den E-Hafen (siehe dazu die Bilder vom Absturz einer B-17 unten) oder in seiner unmittelbaren Nähe wie zum Beispiel dem Ort Wehrheim (siehe dazu den Zeitungsartikel der Taunus Zeitung als PDF) abspielten. Im Allgemeinen war der hessische Luftraum ein einziges Schlachtfeld. Die Jagdgeschwader der Reichsverteidigung wurden durch die Jägerleitstellen an die Bomberpulks geführt und versuchten diese im Frontalangriff abzuschießen. In den meisten Fällen war der amerikanische Jagdschutz zur Stelle und drängte die deutschen Jagdflugzeuge von den Bombern ab. Zu ersten Kampfhandlungen über dem Rhein-Main-Gebiet kommt es an diesen Tag so gegen 11:30Uhr. Später dann am Nachmittag, gegen 14:30Uhr als die Bomber in Richtung Heimatbasis flogen, kommt es erneuten zu harten Luftkämpfen im Großraum Giessen.
Nachfolgenden finden Sie die Abschrift eines Abschussberichtes von Leutnant Hans Weik. Dieser flog am 12. Mai 1944, als Staffelkapitän im 10. Sturm des Jagdgeschwader 3 "Udet" und schoss bei diesem Einsatz eine B-17 im Raum Frankfurt am Main ab. Tatsächlich lag der Abschuss wohl mehr im Taunus. Zeuge des Abschuss war Unteroffizier Josef Brandt, der im selben Einsatzgeschwader geflogen ist.
Hinweis: Der originale Abschussbericht sowie der Zeugenbericht liegen mir als Bildkopie vor. Leider kenne ich den jetzigen Besitzer der Berichte nicht, da diese bei eBay versteigert wurden. Daher wird hier nur eine Abschrift der originalen Dokumente gezeigt. Diese sind aber Wort für Wort wie im Original und auch in der Form und Anordnung dargestellt. Die originalen Dokumente wurden damals auf einer Schreibmaschine erstellt und von den beiden Piloten unterschrieben.
Übersicht zu den Luftkämpfen am 12. Mai 1944. Sie sehen die An- und Abflugwege der alliierten
Bomber sowie die Anflugwege der deutschen Jagdgeschwader, die zur Abwehr eingesetzt wurden. Der Abschuss von Lt. Weik wurde rot markiert.
Quelle: ...mit Kurs auf
Leuna - Die Luftoffensive gegen die Treibstoffindustrie und der deutsche Abwehreinsatz 1944-1945
Aus dem Motorbuch Verlag Stuttgart - ISBN-Nr.: 3879437254 - Abbildung im Buch auf Seite 31
Die nachfolgenden Bilder dokumentieren den Absturz einer B-17 "Flying Fortress" in unmittelbarer Nähe zum Einsatzhafen
Merzhausen. Auf dem ersten Bild sehen Sie wie die B-17 senkrecht ohne Heck in Richtung Boden stürzt. Aufgenommen wurden diese Bilder am 12. Mai 1944. Bei dem Bomber handelt es sich
(wahrscheinlich) um die Maschine, die von Leutnant Heinz Schlechter gerammt wurde. Leutnant Heinz Schlechter ist auf den letzten Bild zu sehen Er trägt seinen rechten Arm in einer
Schlinge. Die Verletzung stammt (wahrscheinlich) vom Rammstoß. Ein sehr interessantes Detail auf diesem Bild: Leutnant Schlechter trägt eine amerikanische Pilotenlederjacke vom
Typ A2. Diese und auch die B-3 Schaffellfliegerjacke waren sehr beliebt bei den deutschen Piloten.
Quelle: Messerschmitt Bf109 im Einsatz bei der II./ Jagdgeschwader 27 - Struve Verlag - ISBN-Nr.: 3923457421
Siehe Text im Buch ab Seite 380ff. Bildernachweis ab Seite 426ff.
ACHTUNG: Die Bilder sind Eigentum von Herrn Ring, Herrn Schlechter und Herrn Keller!